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Akute Lymphatische Leukämie (ALL)

Stand Februar 2012
Dies ist nicht die aktuelle Version. Siehe: Akute Lymphatische Leukämie (ALL)

1Einleitung

Bei der akuten lymphatischen Leukämie (ALL) handelt es sich um eine lebensbedrohliche maligne Erkrankung. Wegen der anspruchsvollen Diagnostik, komplexen Therapie, des lebensbedrohlichen Verlaufs und der Seltenheit der Erkrankung ist die notfallmässige Überweisung an ein hämatologisches Zentrum mit entsprechender Erfahrung dringend zu empfehlen.

Für die ALL des Erwachsenen gibt es keine allgemeingültige Standardtherapie außerhalb von klinischen Studien. Um eine Therapie nach State-of-the-Art zu gewährleisten und gleichzeitig eine Fortentwicklung der Therapiekonzepte zu ermöglichen, sollten möglichst alle Patienten im Rahmen von Studien behandelt werden. Für Patientengruppen, bei denen keine Studientherapie möglich ist, z.B. da Ausschlusskriterien vorliegen oder für die aktuell keine Studien angeboten werden, sollte die Therapie gemäß prospektiv festgelegten Therapieempfehlungen der Studiengruppen erfolgen. In Deutschland sind dies die GMALL-Therapieempfehlungen. Die Anwendung der Empfehlungen ist mit einer Aufklärung und Dokumentation der Patienten über das GMALL-Register verbunden.

Europäische Empfehlungen zur Therapie der ALL wurden kürzlich von der European Working Group for Adult ALL erstellt und in Buchform veröffentlich. Das Buch bietet eine aktuelle und detaillierte Übersicht über alle wesentlichen Fragestellungen im Zusammenhang mit dem Management der ALL [1].

2Definition und Basisinformationen

Akute Leukämien sind charakterisiert durch Proliferation und Akkumulation maligne entarteter, unreifer Zellen der Hämatopoese, sogenannter Blasten in Knochenmark und Blut. Auch alle anderen lymphatischen (z.B. Lymphknoten, Milz) und nicht lymphatischen Organe (z.B. Leber, ZNS, Hoden, Haut, Knochen etc.) können befallen sein. Die leukämischen Blasten verdrängen das normale blutbildende Knochenmark und es kommt zu Zytopenien aller drei Zellreihen (Anämie, Thrombozytopenie, Granulozytopenie).

2.1Epidemiologie

Die Gesamtinzidenz der ALL liegt bei 1,1/100.000 im Jahr. Der absolute Häufigkeitsgipfel liegt im Kindesalter unter 5 Jahren (5,3/100.00). Danach fällt die Inzidenz kontinuierlich ab. Bei über 50-jährigen Patienten steigt sie erneut langsam an und erreicht einen zweiten Häufigkeitsgipfel im Alter über 80 Jahren (2,3/100.000). Man findet eine leichte Prädominanz des männlichen Geschlechts (1,4:1.0).

2.2Risikofaktoren

Die pathogenetischen Ursachen der ALL bleiben in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle unbekannt. Grundsätzlich könnten bestimmte endogene und exogene Faktoren mit einem erhöhten Risiko für die Entstehung einer ALL in Zusammenhang stehen. Dazu gehören kongenitale Defekte von DNA-Reparaturmechanismen, z.B. Ataxia teleangiectasia. Auch bei Kindern mit Trisomie 21 ist das Risiko einer akuten Leukämie gegenüber Vergleichsgruppen um das 18-fache erhöht. Chromosomenschäden, die durch radioaktive Strahlung ausgelöst werden, begünstigen die Entwicklung akuter Leukämien ebenso wie die Exposition gegenüber myelotoxischen Chemikalien, wie Benzol, Chloramphenicol u.a. Akute Leukämien (insbesondere AML) werden in zunehmenden Umfang auch als Sekundärneoplasien nach Chemotherapie mit Alkylantien, Epipodophyllotoxinen und Topoisomeraseinhibitoren beobachtet.

2.3Pathogenese

Die ALL ist durch die unkontrollierte Proliferation früher lymphatischer Vorläuferzellen im Knochenmark charakterisiert, deren Ausreifung auf einer bestimmten Differenzierungsebene blockiert ist. Die leukämischen Blasten eines Patienten weisen im Allgemeinen individuell spezifische einheitliche genetische Merkmale auf. Diese sog. klonalen Marker deuten darauf hin, dass die ALL ihren Ursprung in einer entarteten lymphatischen Stammzelle hat. Die Entartung kann auf verschiedenen Ebenen der lymphatischen Zellreifung stattfinden. In der Folge weisen die Leukämiezellen in Subgruppen der ALL unterschiedliche phänotypische Merkmale, z.B. Konstellationen von Oberflächenmarkern auf, die mit der Reifungsstufe und auch mit der klinischen Manifestation der Erkrankung in Zusammenhang stehen.

Mehr als 60% der erwachsenen ALL-Patienten zeigen zytogenetische Aberrationen, die häufig ebenfalls charakteristisch für bestimmte phänotypische und klinische Ausprägungen sind und z.T. eine prognostische Bedeutung haben. Sie geben außerdem Hinweise auf Gene, die in Zusammenhang mit der Pathogenese der Erkrankung stehen. Bei den von Aberrationen betroffenen Genen bzw. deren Genprodukten handelt es sich um Faktoren, die an Signaltransduktion, Transkriptionsregulation, Zellzykluskontrolle und/oder der Regulation der Apoptose beteiligt sind. Dabei hat die Veränderung einzelner Gene komplexe Konsequenzen für die Expression nachgeordneter Gene und davon abhängiger Regulationsmechanismen. Es ist zudem davon auszugehen, dass mehrere genetische Aberrationen erforderlich sind, um die maligne Entartung lymphatischer Vorläuferzellen auszulösen. In der Folge kommt es zu Störungen der Differenzierung, Zunahme proliferativer Funktionen bzw. Verlust von Mechanismen, die zur Apoptose führen. Letztlich bringen diese Veränderungen einen Überlebensvorteil für den malignen Klon und führen zu einem Differenzierungsblock auf einer bestimmten Reifungsebene analog zu normalen lymphatischen Progenitorzellen. Wichtigstes Beispiel für die pathogenetische und prognostische Bedeutung einer einzelnen Aberrationen ist die Translokation t(9;22) (Philadelphia-Chromosom), die mit der Bildung des bcr-abl Fusionsgens verbunden ist. Hierbei wird ein Protein mit aberranter Tyrosinkinaseaktivität exprimiert, das ursächlich mit der Entstehung der Ph/bcr-abl-positiven ALL in Zusammenhang steht.

3Klinisches Bild

Das klinische Bild der ALL ergibt sich zum einen aus Symptomen, die auf die zunehmende Insuffizienz der normalen Hämatopoese und zum anderen auf die Infiltration von Organen zurückzuführen sind. Symptome der hämatologischen Insuffizienz sind:

  • Anämie: Blasse Haut und Schleimhäute, Tachykardie, Dyspnoe, Schwindel, Leistungsminderung

  • Granulozytopenie bei Hypo- oder Hyperleukozytose oder normal hohen Gesamtleukozytenzahlen im Blutbild: Fieber, Infektneigung

  • Thrombozytopenie: Blutungsneigung, Hämatomneigung, Petechien.

Ein Drittel der Patienten leidet bei Diagnosestellung unter Infektionen oder Blutungen. Fast 60% weisen eine Lymphknotenvergrößerung auf. Ebenso häufig liegt eine Splenomegalie vor. Ein Mediastinaltumor findet sich in 14% der Fälle von ALL insgesamt, aber bei 60% der Patienten mit T-ALL. 7% der Patienten zeigen initial einen ZNS-Befall. Der ZNS-Befall wird meist im Rahmen einer Routineuntersuchung des Liquors diagnostiziert; es können aber auch Symptome auftreten, angefangen von Kopfschmerzen, Erbrechen, Lethargie, Nackensteifigkeit über Nervenausfälle (insbesondere Hirnnerven) bis hin zu Querschnittsymptomen bei Befall des Rückenmarks. In 9% der Fälle von ALL liegt ein anderer extramedullärer Organbefall vor. Bei 60% der ALL-Patienten findet man eine Leukozytose. Das Fehlen einer Leukozytose oder von Blasten im Blut schließt eine ALL nicht aus.

In der Regel entwickeln sich die Krankheitssymptome innerhalb von Tagen und gehen mit einem raschen Verlust der körperlichen Leistungsfähigkeit einher.

4Diagnose

Bei Verdacht auf eine ALL ist die Durchführung einer Knochenmarkuntersuchung obligatorisch. Bei einigen Patienten, insbesondere solchen mit massiver Infiltration oder Fibrose des Knochenmarks, gelingt dies nicht (punctio sicca). Dann muss eine Stanzbiopsie erfolgen oder die Diagnostik mit Blasten aus dem peripheren Blut durchgeführt werden. Bei 97% der Patienten weist das Knochenmark eine massive leukämische Infiltration von mehr als 50% mit entsprechender Einschränkung von Erythropoese, Thrombopoese und Granulopoese auf.

4.1Allgemeine Diagnostik und Therapievorbereitung

Zur Sicherung der Diagnose, zur Durchführung des Stagings und der Erfassung möglicher Begleiterkrankungen sind mindestens folgende Untersuchungen notwendig:

  • Anamnese und körperliche Untersuchung

  • Allgemeinzustand und Evaluierung von Komorbiditäten

  • Blutbild, Differentialblutbild, klinische Chemie einschließlich Gerinnungsdiagnostik und Urinanalyse

  • ggf. HLA-Typisierung (bei potentieller Indikation für eine Stammzelltransplantation)

  • Infektiologische Untersuchungen einschließlich Hepatitis-B,-C- und HIV-Serologie

  • Schwangerschaftstest

  • Lumbalpunktion mit zytologischer Liquordiagnostik und i.th. Therapie

  • Bildgebende Untersuchungen (Röntgenthorax, abdominelle Sonographie, ggf. Computertomographie Thorax und Abdomen oder weitere Untersuchungen nach Symptomatik)

  • EKG und Echokardiographie

  • Aufklärung über fertilitätserhaltende Maßnahmen und Notwendigkeit der Antikonzeption.

4.2Diagnostische Spezialuntersuchungen

Knochenmarksaspirat sollte klinikintern zytologisch und immunologisch untersucht werden. Folgende Untersuchungen sollten wenn möglich, zusätzlich in einem Referenzlabor durchgeführt werden:

  • Morphologie/Zytochemie

  • Immunphänotypisierung

  • Molekulargenetik (Ph/BCR-ABL, t(4;11)/ALL1-AF4)

  • Minimale Resterkrankung (Einsendung von Primärmaterial; siehe Kapitel 5.4.)

  • Zytogenetik

Wesentlich ist die Unterscheidung der B- und T-Vorläufer-ALL sowie der weiteren immunologischen Subtypen. Zusätzlich müssen Zielstrukturen für die Therapie identifiziert werden. Dazu gehören derzeit die CD20-Expression sowie die Präsenz einer bcr-abl Translokation. Auch bei älteren Patienten ist eine vollständige Diagnostik insbesondere wegen der mit dem Alter ansteigenden Inzidenz der Häufigkeit der bcr-abl Translokation unbedingt erforderlich.

4.3Klassifikation

Die WHO-Klassifikation (2008) der ALL ist in Tabelle 1 zusammengefasst. Grundsätzlich wird die ALL zusammen mit den lymphoblastischen Lymphomen

als Precursor Lymphoid Neoplasm vom B- oder T-Zell-Typ eingeordnet. Bei einem Knochenmarkbefall unter 25% spricht man von einem lymphoblastischen Lymphom, bei einem Infiltrationsgrad über 25% von einer Leukämie. Die Unterteilung der WHO-Klassifikation nach zyto- und molekulargenetisch definierten Gruppen ist für die Risikostratifikation und Therapieentscheidung bei der ALL des Erwachsenen nur begrenzt relevant.

Für die klinische Praxis sinnvoller ist die an immunologischen Subtypen orientierte Klassifikation der GMALL-Studien (Tabelle 2). Sie basiert primär auf dem Immunphänotyp der Blasten. Der größte Teil der Fälle von ALL des Erwachsenen (75 %) sind Leukämien der lymphatischen BZellreihe, die je nach Differenzierungsgrad als pro-B, common-, prä-B und reifzellige B-ALL klassifiziert werden; 25% der ALL des Erwachsenen gehören zur T-Zellreihe mit den Differenzierungsstufen ‚early’, thymische und ‚mature’ T-ALL. Mit den immunologischen Subtypen der ALL sind spezifische klinische und zytogenetische bzw. molekulargenetische Aberrationen assoziiert (Tabelle 2).

Die morphologische Klassifikation nach FAB spielt nur noch für die Identifikation der L3-Morphologie eine Rolle. Dieser Subtyp entspricht der reifzelligen B-ALL bzw. Burkitt-Leukämie/Lymphom. Die Diagnose einer reifzelligen B-ALL sollte durch Immunphänotypisierung (Oberflächen-Immunglobulin) und Molekulargenetik (c-myc-Aberration) bestätigt werden. Auf die Unterscheidung zwischen B-Vorläufer- und reifer B-ALL muss unbedingt geachtet werden, da sie relevant für die Therapieentscheidung ist.

Tabelle 1: WHO-Klassifikation der ALL (2008) 

Precursor lymphoid neoplasms

  • B lymphoblastic leukaemia/lymphoma, NOS (not otherwise specified)

    • B lymphoblastic leukaemia/lymphoma, with recurrent genetic abnormalities

    • B lymphoblastic leukaemia/lymphoma, with t(9;22)(q34;q11.2);BCR-ABL1

    • B lymphoblastic leukaemia/lymphoma, with t(v;11q23);MLL rearranged

    • B lymphoblastic leukaemia/lymphoma, with t(12;21)(p13;q22);TEL-AML1 (ETV6-RUNX1)

    • B lymphoblastic leukaemia/lymphoma, with hyperdiploidy

    • B lymphoblastic leukaemia/lymphoma, with hypodiploidy

    • B lymphoblastic leukaemia/lymphoma, with t(5;14)(q31;q32);IL3-IGH

    • B lymphoblastic leukaemia/lymphoma, with t(1;19)(q23;p13.3); E2A-PBX1 (TCF3-PBX1)

  • T-lymphoblastic leukaemia/lymphoma

Mature B-cell neoplasms

  • Burkitt Lymphoma (hier ist die reifzellige „Burkitt“-B-ALL einzuordnen, die nicht als eigenständige Entität aufgeführt wird )

Tabelle 2: Klassifikation der ALL in den GMALL-Studien 

Subgruppe

Immunphänotypisierung

Zyto/Molekulargenetik

Bezeichnung

Charakt.Marker

Inzidenz

Häufige Aberrationen

Molekulare Marker

B-Linien ALL

HLA-DR+, TdT+, CD19+ u./o. CD79a+ u./o. CD22+

76%

B-Vorläufer ALL Pro-B

CD10-

11%

t(4;11)

ALL1-AF4

c-(common)

CD10+

49%

t(9;22)

BCR-ABL

Prä-B

CyIgM+

12%

t(1;19) t(9;22)

E2A-PBX1 BCR-ABL

Reife B

SIgM+

4%

t(8;14)

cMYC

T-Linien ALL

TdT+, cyCD3+, CD7+

24%

„ Early“ T

CD2-, sCD3-, CD1a-

6%

Thymische

sCD3±, CD1a+

12%

„ Mature“ T

sCD3+, CD1a-

6%

4.4Bestimmung der minimalen Resterkrankung

Die Nachweisgrenze für leukämische Blasten bei der mikroskopischen Untersuchung von Knochenmarkausstrichen liegt bei 1-5%. Sehr viel sensitiver ist die Untersuchung des Therapieansprechens mithilfe von Methoden, die den Nachweis von leukämischen Blasten weit unterhalb der zytologischen Nachweisgrenze erlauben, die sog. „minimal residual disease“ (MRD). Die Sensitivität dieser Methoden sollte mindestens 10-4erreichen (entspricht dem Nachweis einer Leukämiezelle in 10.000 normalen Zellen). Damit können bei Patienten, die klinisch und zytologisch in kompletter Remission sind, Leukämiezellen nachgewiesen und im Verlauf untersucht werden.

Für die Quantifizierung der minimalen Resterkrankung können verschiedene Verfahren herangezogen werden, z.B. PCR-Analysen von definierten Fusionsgenen oder die Durchflusszytometrie zum Nachweis individueller leukämietypischer Kombinationen von Oberflächenmarkern. Den höchsten Grad der Standardisierung bei gleichzeitig breitester Anwendbarkeit und Sensitivität erreicht der Nachweis individueller, klonaler Gen-Rearrangements von Immunglobulinen (IgH, IgK) oder T-Zell-Rezeptoren (TCR-b, -d, -g ) mit real-time PCR [2]. Für Therapieentscheidungen im Rahmen von Studien der GMALL-Studiengruppe werden daher aktuell nur die mittels quantitativer PCR bestimmte MRD individueller Rearrangements bei Ph-negativer ALL und die quantitative Bestimmung von BCR-ABL bei Ph-positiver ALL herangezogen. Beide Untersuchungen müssen zu diesem Zweck in Referenzlaboren durchgeführt werden [34].

Die minimale Resterkrankung wird nun auch zur verfeinerten Definition des Therapieansprechens herangezogen. Die molekulare CR , definiert als negativer MRD-Status nach Induktion, ist ein wichtiger neuer Endpunkt für die Effektivitätsmessung von Induktions- oder Konsolidationstherapien. Das molekulare Rezidiv , definiert als erneuter Nachweis von MRD nach Erreichen einer molekularen Remission, ist in 90% der Fälle mit einem nachfolgenden zytologischen Rezidiv assoziiert und sollte daher in klinischen Studien ebenso wie ein zytologisches Rezidiv behandelt werden. Die neue Terminologie wurde in einer kürzlich erschienenen Konsensuspublikation bestätigt [4].

MRD ist zu jedem Zeitpunkt unter und nach Therapie ein hochsignifikanter Prognosefaktor. Das frühe Erreichen einer molekularen CR charakterisiert eine Subgruppe von Patienten mit sehr günstiger Prognose, während Patienten mit persistierender MRD eine hohe Rezidivrate haben [5]. Dies gilt sogar bei nachfolgender Stammzelltransplantation.

Persistenz der MRD ist aktuell der ungünstigste Prognosefaktor bei der ALL des Erwachsenen. Daher muss die MRD-Bestimmung bei allen Patienten durchgeführt werden. Die quantitative Messung der minimalen Resterkrankung ist nur mit Material (leukämische Blasten) vom Zeitpunkt der Erstdiagnose möglich. Daher sollte in jedem Fall Material an ein Referenzlabor eingeschickt werden. Bei Punctio sicca muss entweder nach Vorphasetherapie erneut punktiert werden um Knochenmarkaspirat zu gewinnen oder es muss eine Knochenmarkstanze (unfixiertes Nativmaterial) eingesandt werden.

4.5Differenzialdiagnose

Bei der überwiegenden Zahl der Patienten treten keine diagnostischen Probleme auf, wenn alle unter Abschnitt 5. aufgeführten Spezialuntersuchungen durchgeführt werden. Die immunologische und morphologische Identifizierung lymphatischer Blasten erlaubt die Abgrenzung von akuter myeloischer Leukämie (AML), myelodysplastischem Syndrom (MDS), chronischer lymphatischer Leukämie, lymphatischem Blastenschub bei CML oder anderen Formen chronischer und akuter Leukämien sowie von reaktiven Lymphozytosen, z. B. bei infektiöser Mononukleose. Die Abgrenzung der ALL von lymphoblastischen T- oder B-NHL erfolgt anhand des Blastenanteils im Knochenmark.

Bei etwa 29% der Patienten zeigen die typischen ALL-Blasten die Koexpression myeloischer Oberflächenmarker wie CD13, CD33 (>20%). Bestimmte Subgruppen der ALL gehen mit einer höheren Inzidenz myeloischer Koexpression einher, z. B. „early“ T-ALL, pro-B-ALL, Ph/BCR-ABL-positive ALL. Die myeloische Koexpression ist prognostisch nicht relevant. Die Patienten werden analog den betreffenden ALL-Protokollen behandelt.

4.6Risikostratifikation

Prognosefaktoren sind bei der ALL des Erwachsenen seit vielen Jahren etabliert [67] und international akzeptiert. Dennoch gibt es Unterschiede in Risikostratifikation der einzelnen Studiengruppen und insbesondere im Hinblick auf die therapeutischen Konsequenzen. Die aktuell gültigen Prognosefaktoren in den GMALL-Studien sind in Tabelle 3 zusammengefasst.

Tabelle 3: Ungünstige Prognosefaktoren bei der ALL des Erwachsenen (GMALL-Studie 07/2003) 

Hohe Leukozytenzahl

> 30.000/µl bei B-Vorläufer-ALL

Subtyp

pro B, early T , reife T

Späte CR

> 3 Wo (nach Induktion II)

Zytogenetische / Molekulare Aberrationen

t(9;22) - BCR-ABL

t(4;11) - ALL1-AF4

Komplex aberranter Karyotyp

Minimale Resterkrankung

Hohes MRD-Niveau nach Frühkonsolidation *

MRD-Anstieg unter Therapie*

*detaillierte Definition nach Therapieprotokoll

Bei jüngeren Patienten wird in den GMALL-Therapieempfehlungen derzeit eine risikoadaptierte Therapiestrategie verfolgt (analog zu der GMALL-Studie 07/2003). Die in Tabelle 3 genannten Risikofaktoren führen zur Definition einer Standard- (ohne ungünstige Prognosefaktoren) und einer Hochrisikogruppe (mindestens ein ungünstiger Prognosefaktor). Patienten mit Ph/BCR-ABL-positiver ALL werden zusätzlich mit Imatinib behandelt. Nach einer einheitlichen Induktions- und ersten Konsolidationstherapie erfolgt die Therapie risikoadaptiert. Patienten mit Hoch- und Höchstrisiko werden einer SZT zugeführt, während bei Patienten mit Standardrisiko die Chemotherapie mit alternierenden Konsolidationszyklen über ein Jahr fortgeführt wird. Standardrisiko-Patienten mit schlechtem Therapieansprechen, bei denen eine Intensivierung mittels SZT sinnvoll erscheint, werden anhand des MRD-Verlaufs identifiziert.

5Therapie

Die Therapie der ALL wird in mehrere Phasen unterteilt: Induktions-, Konsolidierungs- und Erhaltungstherapie. Ziel der Induktionstherapie ist die Induktion einer kompletten Remission (CR) der Erkrankung. Das Erreichen einer CR ist Grundvoraussetzung für ein Langzeitüberleben bzw. Heilung der Erkrankung. Die Therapieabschnitte Konsolidierungs- und Erhaltungstherapie dienen der Aufrechterhaltung der kompletten Remission und werden unter dem Begriff der Postremissionstherapie zusammengefasst. Unter dem Begriff der Konsolidationstherapie wird auch die Knochenmark- bzw. Blutstammzelltransplantation (SZT) subsummiert.

5.1Induktionstherapie

Bei allen Patienten sollte eine Vorphase-Therapie (Dexamethason, Cyclophosphamid) zur Vermeidung eines Tumorlyse- Syndroms durchgeführt werden. Auch bei Patienten mit Hyperleukozytose reicht die Vorphase-Therapie im Allgemeinen für eine schonende Zellreduktion aus.

Standardmedikamente für die eigentliche Induktionstherapie sind Vincristin und Dexamethason in Kombination mit einem Anthrazyklin-Derivat (meist Dauno-/ Doxorubicin). Zusätzlich wird Asparaginase in der Induktionstherapie eingesetzt; die Substanz ist spezifisch bei ALL wirksam und unterscheidet sich im Hinblick auf Wirkungsmechanismus, Resistenz und Nebenwirkungsspektrum von anderen Zytostatika. In den GMALL-Studien wird mit Ausnahme der älteren Patienten die pegylierte Form der Asparaginase eingesetzt. Man erreicht damit in Abhängigkeit von der Dosis eine Wirkdauer von 10-20 Tagen. Um die Wirkdauer exakt zu messen, sollten wöchentlich Asparaginase-Aktivitätsmessungen durchgeführt werden. Weiterhin sind unter Asparaginase-Therapie spezielle Supportivmaßnahmen (Überwachung der Leberwerte, Pankreasenzyme, Glucose, Thromboseprophylaxe, Gerinnungsfaktoren, ggf. Substitution von Gerinnungsfaktoren) erforderlich. Nach Induktionsphase I erfolgt eine Remissionskontrolle. Wird hier nach zytologischem Befund keine komplette Remission (Blastenanteil <5%) erreicht, muss der Patient der Hochrisikogruppe zugeordnet werden.

In Induktionsphase I erfolgt die Zugabe weiterer Medikamente - Cyclophosphamid, Cytosin-Arabinosid, 6-Mercaptopurin, Methotrexat.

Wichtige neue Elemente der Induktionstherapie sind die Intensivierung der Asparaginase-Therapie durch Dosiserhöhung, die Hinzugabe von antiCD20-Antikörpern bei CD20-positiver ALL und die Gabe von Imatinib bei Ph-positiver ALL (siehe unten).

5.2Konsolidationstherapie

Die Durchführung einer intensiven Konsolidationstherapie ist Standard in der Therapie der ALL. Für die Konsolidationstherapie existieren international sehr unterschiedliche Konzepte und die Wirksamkeit einzelner Elemente ist kaum nachweisbar. Die verfügbaren Daten deuten jedoch darauf hin, dass zyklische Konsolidationstherapie mit wechselnden Substanzen und insbesondere der intensive Einsatz von hochdosiertem Methotrexat, Hochdosis-Cytarabin, die erhöhte Dosisintensität für Asparaginase ebenso wie die Wiederholung der Induktionstherapie (Reinduktion) vorteilhaft ist. Essentiell ist die möglichst zeitnahe Durchführung der Therapieblöcke in der Konsolidationstherapie.

5.3Erhaltungstherapie

Für alle ALL-Patienten (außer reifer B-ALL), die keine SZT erhalten und bei denen keine Verlaufsuntersuchungen der MRD durchgeführt wurden, ist nach Abschluss der Konsolidations- und Intensivierungszyklen eine Erhaltungstherapie Behandlungsstandard. Alle Studien, in denen generell auf eine Erhaltungstherapie verzichtet wurde, haben deutlich ungünstigere Gesamtergebnisse gebracht. Die Frage ob Intensivierungszyklen unter der konventionellen Erhaltungstherapie mit Mercaptopurin und Methotrexat eine Verbesserung bringen, wird derzeit noch in Studien geprüft. In den GMALL-Studien wurde die Entscheidung über Dauer und Intensität aufgrund der MRD-Verlaufsuntersuchungen gefällt. Eine abschließende Auswertung steht aus.

5.4Stammzelltransplantation

Die allogene SZT ist bei der ALL des Erwachsenen ein wesentlicher Bestandteil der Postremissionstherapie. Es sowohl Familien- als auch Fremdspender eingesetzt, wobei aufgrund der ausgezeichneten Spenderregister inzwischen doppelt so viele Fremd- wie Familienspender-Transplantationen durchgeführt werden. Die Ergebnisse sind vergleichbar. Die autologe SZT wird nach einer weiteren Konsolidationstherapie nur noch in seltenen Fällen durchgeführt, wenn kein kompatibler allogener Spender zur Verfügung steht und gleichzeitig ein negativer MRD-Status erreicht wurde oder wenn keine andere Form der Salvagetherapie zur Verfügung steht. Für ältere Hochrisikopatienten und Patienten mit Kontraindikationen für eine konventionelle SZT stellt die nicht-myeloablative SZT (NMSZT) eine therapeutische Alternative dar.

Die Indikationsstellung für eine SZT in erster Remission wird international unterschiedlich gestellt. Die Mehrzahl der Studiengruppen verfolgt wie die GMALL-Studiengruppe eine risikoadaptierte Indikationsstellung für eine SZT in Erstremission [8]. Bei allen Patienten mit Hochrisiko-Merkmalen wird eine Transplantation in erster CR angestrebt. Hierbei handelt es sich in den GMALL-Studien um etwa die Hälfte der Patienten. Bei Standardrisiko-Patienten wird in Erstremission keine Transplantation angestrebt, da diese auch mit konventioneller Chemotherapie eine Überlebensrate von über 50% erreichen. Die Indikationsstellung für die SZT erfolgt bei Standardrisiko-Patienten anhand der minimalen Resterkrankung.

Die GMALL-Studiengruppe hat eine Expertenempfehlung für die Stammzelltransplantation bei ALL herausgegeben, die über die Studiengruppe erhältlich ist. Ziel ist es durch eine einheitliche Definition von Konditionierung, GvHD-Prophylaxe und anderer transplantationsassoziierter Prozesse die Ergebnisse zu optimieren und gleichzeitig eine bessere Auswertbarkeit der Daten zu erreichen.

5.5ZNS-Prophylaxe

Die Durchführung einer effektiven Prophylaxe von ZNS-Rezidiven hat in der Therapie der ALL einen entscheidenden Stellenwert. Risikofaktoren für die Entwicklung von ZNS-Rezidiven sind T-ALL, reife B-ALL sowie eine hohe Leukozytenzahl bei Diagnosestellung. Als Therapiemodalitäten stehen intrathekale Therapie mit Methotrexat, mit einer Dreifach-Kombination (Methotrexat, Cytarabin, Steroid), systemische Hochdosis-Therapie mit Methotrexat und/oder Cytarabin sowie eine Schädelbestrahlung (24 Gy) zur Verfügung. Die besten Ergebnisse im Hinblick auf die Rate von ZNS-Rezidiven (<5%) werden mit einer Kombination aller Modalitäten erzielt, wie sie auch in den laufenden GMALL-Therapieempfehlungen vorgesehen ist.

Bei initialem ZNS-Befall muss eine intensivierte intrathekale Therapie mit 2-3 wöchentlichen Gaben bis zur Blastenclearance und 1-2 weiteren Konsolidierungsgaben durchgeführt werden. Bei häufiger intrathekaler Instillation von Methotrexat sollte zur Mukositisprophylaxe ein Leukovorin-Rescue durchgeführt werden.

5.6Therapie der Ph/BCR-ABL-positiven ALL

Das Philadelphia-(Ph-)Chromosom bzw. das korrespondierende Fusionstranskript bcr-abl ist mit einer Inzidenz von 30-40% innerhalb der B-Vorläufer-ALL die häufigste wiederkehrende Aberration bei der ALL. Durch den Einsatz von Tyrosinkinase-(TK-)Inhibitoren, insbesondere Imatinib, hat sich die Prognose dieser Subgruppe deutlich verbessert [9].

Bei jüngeren Patienten wird Imatinib in Kombination mit inteniver Chemotherapie eingesetzt. Dabei werden Remissionsraten von über 90% erreicht; die molekulare Remissionsrate liegt bei über 50%. Dadurch konnte auch der Anteil der Patienten, die einer allogenen Stammzelltransplantation zugeführt werden, deutlich erhöht werden. In der GMALL-Studiengruppe wird in der Therapieempfehlung momentan die Gabe von Imatinib mit einer reduzierten Induktionstherapie (kein Daunorubicin) empfohlen. Parallel läuft in einigen Zentren eine Studie mit Dasatinib in der gleichen Kombination.

Wegen der Entwicklung von Resistenzen und Rezidiven unter Chemotherapie in Kombination mit TKI scheint die Stammzelltransplantation weiterhin die einzige Möglichkeit zur Erzielung von Langzeitremission bei Ph+-ALL zu sein. Eine weitere Verbesserung scheint durch die Gabe von Imatinib nach Transplantation möglich. Hier werden momentan noch die Ergebnisse einer randomisierten

Studie der GMALL erwartet, in der geprüft wurde, ob der Einsatz grundsätzlich bei allen Patienten oder nur bei Patienten mit positivem MRD-Status erfolgen sollte.

Bei älteren Patienten mit Ph-positiver ALL wurde bisher vorwiegend der Ansatz einer Induktionstherapie mit Imatinib als Monotherapie in Studien geprüft. Diese Therapie, die häufig ambulant durchgeführt werden kann, erzielt bei 90% der Patienten eine CR und ist damit einer dosisreduzierten Induktionschemotherapie in Kombination mit Imatinib überlegen, wie auch eine randomisierte Studie der GMALL gezeigt hat [10]. Aktuell wird in der GMALL-Therapieempfehlung weiterhin die Induktion mit Imatinib-Monotherapie für ältere Patienten empfohlen. Parallel läuft in einigen Zentren eine Studie mit Nilotinib in Kombination mit einer dosisreduzierten Induktion und einer mäßig intensiven Konsolidation.

Derzeit werden verschiedene Möglichkeiten zur Therapieoptimierung bei Ph+-ALL in klinischen Studien geprüft. Dazu gehört die Untersuchung einer mäßig intensiven Induktionschemotherapie mit TK-Inhibitoren, die Prüfung von Monotherapien mit TK-Inhibitoren der 2.Generation, z.B. Dasatinib und Nilotinib, die Kombination oder der sequentielle Einsatz verschiedener TK-Inhibitoren, der Einsatz dosisreduzierter Konditionierungen auch bei älteren Patienten und die Prüfung von Erhaltungstherapien nach Chemotherapie aber auch nach Transplantation. Auch die Therapiesteuerung aufgrund von resistenzinduzierenden Mutationen und MRD wird geprüft. Für Patienten mit der T315I-Mutation, die Resistenz gegen alle verfügbaren TKIs induziert befinden sich neue Kinaseinhibitoren in der Prüfung.

Entscheidend für die Therapiesteuerung ist die quantitative Messung der MRD (BCR-ABL-Niveau). Bei Patienten mit Persistenz der MRD nach 1-2 Konsolidationstherapien sollte, sofern keine Stammzelltransplantation geplant ist, eine Umstellung der Therapie mit der GMALL-Studienzentrale diskutiert werden.

5.7Therapie älterer Patienten mit ALL

Die Remissionsraten nehmen wegen der erhöhten Induktionsmortalität mit zunehmendem Alter ab und liegen bei > 65jährigen bei 60-80% [11]. Das Gesamtüberleben liegt in publizierten Studien mit mäßig intensiver, altersadaptierter Therapie bei 20-40%. Wichtig ist die Entscheidung, ob dem einzelnen Patienten aufgrund seines biologischen Alters eine mäßig intensive Chemotherapie verabreicht werden kann, oder ob eine Palliativtherapie durchgeführt werden soll. Bei Therapie mit zumindest mäßig intensiver Chemotherapie sind die Heilungschancen besser und die Frühmortalität geringer [12]. Deshalb sollten auch ältere Patienten in prospektive kontrollierte Therapiestudien eingebracht werden.

Für die ALL stehen nunmehr mehrere an Subgruppen adaptierte Therapieprotokolle für ältere Patienten zur Verfügung, die neben einer dosisreduzierten Chemotherapie molekulare Therapie (Imatinib) und Antikörpertherapie (z.B. anti-CD20) enthalten. Auch dosisreduzierte allogene Transplantationen können erwogen werden. Voraussetzung ist, dass auch bei älteren Patienten eine vollständige, hochwertige Initialdiagnostik durchgeführt wird.

Für Patienten bei denen aufgrund von Komorbiditäten auch eine mäßig intensive Chemotherapie nicht möglich ist, kann eine Behandlung nach der GMALL-Therapieempfehlung für Frail-Patienten erfolgen. Bei alten Patienten mit Ph/BCR-ABL-positiver ALL kann häufig auch mit einer Imatinib-, Dasatinib- oder Nilotinib-Monotherapie bei guter Lebensqualität eine länger anhaltende Remission erreicht werden. Bei Therapieversagen kann eine Umstellung auf Dasatinib passager erfolgreich sein. Hierzu sollte zuvor eine Untersuchung auf mögliche Mutationen der BCR-ABL Kinasedomäne erfolgen, da diese entscheidend die Ansprechwahrscheinlichkeit beeinflussen.

5.8Therapie lymphoblastischer Lymphome

T-lymphoblastische Lymphome entsprechen in ihrem Phänotyp der T-ALL, weisen allerdings einen Knochenmarkbefall unter 25% auf. Die Erkrankung tritt im typischen Fall bei jüngeren Männern auf und ist in über 90% der Fälle mit einem Mediastinaltumor verbunden. T-LBL können sehr erfolgreich mit adaptierten Schemata für die ALL behandelt werden [13]. Die GMALL-Studiengruppe hat für T-lymphoblastische Lymphome eine Therapieempfehlung herausgebracht, die auf der Chemotherapie analog zu der GMALL-Studie 07/2003 aufbaut, zusätzlich aber Remissionskontrollen residueller Mediastinaltumoren mit PET integriert.

5.9Therapie der reifzelligen B-ALL

Die reifzellige B-ALL wird nach der neuen WHO-Klassifikation der Gruppe der Burkitt-Leukämien/Lymphome zugeordnet. Sie zeigt eine rasche Progredienz und häufig große Tumormasse mit erhöhter Inzidenz von ZNS-(12%) und Organbefall (34%) [14] . Die Therapieergebnisse wurden mit Therapieschemata aus der Pädiatrie, mit rascher Abfolge kurzer, intensiver Chemotherapieblöcke deutlich verbessert; wesentliche Elemente sind Hochdosis-Methotrexat und fraktioniertes Cyclophosphamid bzw. Ifosfamid. Die Therapiedauer beträgt nur 21 Wochen. Seit kurzem wird in der Therapie der B-ALL und Burkitt-Lymphome der monoklonale Antikörpers gegen CD20 eingesetzt. In 80-90% der Fälle weisen diese Leukämien/Lymphome eine CD20-Expression auf. Die Gabe von Rituximab vor den Chemotherapiezyklen hat zu einer deutlichen Verbesserung der Therapieergebnisse geführt [15].

5.10Rezidivtherapie

Die Wahrscheinlichkeit des Rezidivs ist in den ersten beiden Jahren nach Erreichen der CR am höchsten. Frühe Rezidive mit einer primären Remissionsdauer unter 18 Monaten sind prognostisch ungünstig. Das Gesamtüberleben der ALL nach Rezidiv liegt in publizierten Studien bei unter 10% [16].

Hauptziel beim Management von Rezidivpatienten ist das Erreichen einer kompletten Remission und die anschließende Stammzelltransplantation. Bei der Therapieentscheidung spielen Vortherapie, Dauer der ersten Remission, Alter, Spenderverfügbarkeit, Subtyp und Verfügbarkeit von Strukturen für zielgerichtete Therapieansätze eine Rolle. Bei Frührezidiven sollte ein Subgruppen-adaptiertes Vorgehen unter Einschluss von Studien mit neuen Substanzen verfolgt

werden. Bei Spätrezidiven steht als erste Therapieoption eine Wiederholung der initial wirksamen Induktionstherapie zur Verfügung. Auch extramedulläre Rezidive der ALL (z.B. ZNS, Hoden) werden mit intensiver systemischer Therapie gefolgt von einer SZT behandelt. Bei Patienten mit einem molekularen Rezidiv ist ebenfalls eine Salvagetherapie und eine Stammzelltransplantation indiziert. Die GMALL-Studiengruppe führt derzeit in Projekt zur Optimierung der Rezidivtherapie durch und steht für individuelle Beratungen zur Verfügung.

6Verlaufskontrolle

Auch nach Ende der Therapie können weiterhin bis zu 5 Jahre nach Erstdiagnose Rezidive auftreten. Danach nimmt die Rezidivwahrscheinlichkeit stark ab. Weitere regelmäßige Blutbild- und Knochenmarkkontrollen sind daher erforderlich. MRD-Untersuchungen sollten im ersten Jahr nach Therapieende noch 3monatlich, im folgenden Jahr halbjährlich durchgeführt werden um ggf. auftretende molekulare Rezidive zu detektieren.

Kontrolluntersuchungen dienen auch der Erfassung von Spätfolgen der Therapie. Dabei kann es sich um aseptische Knochennekrosen nach Kortison, MDS, Zweitmalignome, z. B. Entwicklung einer AML, Infertilität, hormonelle Störungen, psychische Erkrankungen etc. handeln. Die überwiegende Zahl der ALL-Patienten in Langzeitremission ist jedoch als geheilt anzusehen und leidet unter keinen Spätkomplikationen.

7[Kapitel nicht relevant]

8[Kapitel nicht relevant]

9Literatur

  1. Gökbuget N: Recommendations of the European Working Group for Adult ALL. Bremen - London - Boston UNI-MED; 2011

  2. Ca mpana D: Progress of minimal residual disease studies in childhood acute leukemia. Curr Hematol Malig Rep. 5:169-176, 2010. DOI: 10.1007/ s11899-010-0056-8

  3. van der Velden V, Cazzaniga G, Schrauder A, et al: Analysis of minimal residual disease by Ig/TCR gene rearrangements: guidelines for interpretation of real-time quantitative PCR data. Leukemia 21:604-611, 2007. DOI: 10.1038/sj.leu.2404586

  4. Brüggemann M, Schrauder A, Raff T, et al. Standardized MRD quantification in European ALL trials: proceedings of the Second International Symposium on MRD assessment in Kiel, Germany, 18-20 September 2008. Leukemia 24:521-535, 2010. DOI: 10.1038/leu.2009.268

  5. Brüggemann M, Raff T, Flohr T, et al. Clinical significance of minimal residual disease quantification in adult patients with standard-risk acute lymphoblastic leukemia. Blood 107:1116-1123, 2006. DOI: 10.1182/ blood-2005-07-2708

  6. Gökbuget N, Hoelzer D. Treatment of Adult Acute Lymphoblastic Leukemia. Seminars in Hematology 46:64-75, 2009. PMID: 19100369

  7. Bassan R, Hoelzer D. Modern therapy of acute lymphoblastic leukemia. J Clin Oncol 29:532-543, 2011. DOI: 10.1200/JCO.2010.30.1382

  8. Gökbuget N, Hoelzer D. HSCT for acute lymphoblastic leukaemia in adults. In: Apperley J, Carreras E, Gluckman E, Gratwohl A, Masszi T, eds. The EBMT Handbook: Haematopoietic Stem Cell Transplantation. Vol. 5: 373-387, 2008.

  9. Ottmann OG, Pfeifer H. Management of Philadelphia chromosome-positive acute lymphoblastic leukemia (Ph+ ALL). Hematology Am Soc Hematol Educ Program 371-381, 2009. DOI: 10.1182/asheducation-2009.1.371

  10. Ottmann OG, Wassmann B, Pfeifer H, et al. Imatinib compared with chemotherapy as front-line treatment of elderly patients with Philadelphia chromosome-positive acute lymphoblastic leukemia (Ph+ALL). Cancer 109:2068-2076, 2007. DOI: 10.1002/cncr.22631

  11. Gökbuget N. Acute lymphoblastic leukemia in older patients. Hematology Education (Education Programme for the 16th Congress of the EHA). 20-26, 2011.

  12. Juliusson G, Karlsson K, Hallbook H. Population-based analyses in adult acute lymphoblastic leukemia. Blood 116:1011, 2010. DOI: 10.1182/ blood-2010-03-272724

  13. Hoelzer D, Gökbuget N, Digel W, et al. Outcome of adult patients with T-lymphoblastic lymphoma treated according to protocols for acute lymphoblastic leukemia. Blood 99:4379-4385, 2002. DOI: 10.1182/ blood-2002-01-0110

  14. Hoelzer D, Ludwig WD, Thiel E, et al. Improved outcome in adult B-cell acute lymphoblastic leukemia. Blood 87:495-508, 1996. PMID: 8555471

  15. Hoelzer D, Hiddemann W, Baumann A, et al. High Survival Rate in Adult Burkitts Lymphoma/Leukemia and Diffuse Large B-Cell Lymphoma with Mediastinal Involvement. Blood 110:abstract #518, 2007. http://abstracts.hematologylibrary.org/cgi/content/abstract/110/11/518?maxtoshow=&hits=10&RESULTFORMAT=&fulltext=Hoelzer&searchid=1&FIRSTINDE

  16. Fielding AK, Richards SM, Chopra R, et al. Outcome of 609 adults after relapse of acute lymphoblastic leukemia (ALL); an MRC UKALL12/ECOG 2993 study. Blood 109:944-950, 2007. DOI:10.1182/blood-2006-05-018192

10Aktive Studien

10.1Laufende Studien und Therapiedurchführung in Deutschland

Bei seltenen Erkrankungen wie der ALL ist der einzige Weg der Therapieoptimierung die Kombination von Versorgung und klinischer Forschung in Therapieoptimierungsstudien. In Deutschland wird die Mehrzahl der erwachsenen ALL- Patienten in klinischen Studien oder nach Therapieempfehlungen behandelt, die von der deutschen multizentrischen Studiengruppe für die ALL des Erwachsenen (GMALL) durchgeführt werden. In ganz Deutschland nehmen mehr als 140 Kliniken an dieser weltweit größten Studiengruppe teil. Die Studien beinhalten zahlreiche innovative Ansätze in der Therapie einschließlich neuer Medikamente, mit einem besonderen Schwerpunkt auf der Entwicklung risikoadaptierter, individualisierter Therapien. In der letzten Studie 07/2003 konnte erstmalig bei der ALL des Erwachsenen eine Überlebensrate über 50% erreicht werden.

Aktuell sollten alle erwachsenen ALL-Patienten zunächst über das GMALL-Register registriert werden. Dies beinhaltet auch die Einsendung von Biomaterial. Wenn die Einschlusskriterien für eine klinische Studie erfüllt sind, kann im Anschluss ein Studieneinschluss erfolgen. Wenn kein Studieneinschluss möglich ist, sollten Patienten analog zu den GMALL-Empfehlungen behandelt und dokumentiert werden. Durch die Registererfassung können flächendeckend alle Patienten auch im Hinblick auf das Langzeitergebnis weiterverfolgt werden.

Die Therapiestudien und Empfehlungen der GMALL-Studiengruppe sind aktuell über das Kompetenznetz „akute und chronische Leukämien“ abrufbar (www.kompetenznetz-leukaemie.de). Hier werden die Ein- und Ausschlusskriterien, die Therapieprotokolle und die Adressen der Studienzentralen aufgeführt.

10.2Laufende Studien und Therapiedurchführung in Österreich

Österreichweit werden diese Therapiestudien und die Empfehlungen der GMALL-Studiengruppe an den meisten Zentren bereits seit Jahren umgesetzt und mitgetragen.

Derzeit befindet sich ein Register (AGMT-ALL-Register) im Aufbau zur Erfassung von diagnostischen als auch therapeutischen Daten von Patienten mit akuter lymphatischer Leukämie bzw. von hochaggresssiven Lymphomen wie vom Burkitt- oder vom T-lymphoblastischen Typ. Seit Neuestem steht uns die hochspezifische MRD-Diagnostik (PCR), wie sie in Deutschland etabliert wurde, ebenfalls in Österreich zur Verfügung, sodass die vorgesehenen Prognosefaktoren auch hierorts in die Therapieentscheidungen miteinfliessen können. Die MRD-Diagnostik als auch die Diagnostik aus der Spinalen Flüssigkeit (Liquor) mittels Flowzytometrie befindet sich derzeit im Aufbau.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass durch die enge Kooperation mit der GMALL-Studiengruppe und der bereits langjährigen Erfahrung alle oben erwähnten Therapien als auch deren Diagnostik in Österreich zur Verfügung stehen und somit an unsere Patienten weitergegeben werden können.

10.3Laufende Studien und Therapiedurchführung in der Schweiz

In der Schweiz nehmen alle Zentren, welche akute lymphatische Leukämien behandeln, an den Protokollen der Group for Research on Adult Acute Lymphoblastic Leukemia GRAALL Intergroup (LALA-GOELAMS-SAKK) teil. Die beiden Protokolle GRAALL 2005 (Randomisierung zwischen konventioneller und erhöhter Cyclophosphamid Dosierung in der Induktion und Spätintensivierung) und GRAAPH 2005 (Behandlung der Ph-positiven ALL) haben soeben die angestrebten Einschlusszahlen erreicht und sind geschlossen worden. Das Protokoll GRAALL

2005-R (randomisierte Behandlung der CD 20 positiven ALL mit oder ohne Rituximab®) ist noch bis September 2012 offen. Die Teilnahme an den sich in Vorbereitung befindenden Nachfolgeprotokollen ist geplant.

10.4Kontaktdaten

Deutschland

GMALL-Studienzentrale
Dr. med. N. Gökbuget
Klinikum der J.W.Goethe Universität
Medizinische Klinik II Theodor Stern Kai 7
60590 Frankfurt
goekbuget@em.uni-frankfurt.de

Österreich

Medizinische Universität Wien
Innere Medizin I/Abteilung für Hämatologie und Hämostaseologie
Univ. Prof. Dr. Ulrich Jäger
Ass. Prof. Priv. Doz. Dr. Alexander W. Hauswirth
Währinger Gürtel 18-20
A-1090 Wien
ulrich.jaeger@meduniwien.ac.at
alexander.hauswirth@meduniwien.ac.at

Arbeitsgemeinschaft Medikamentöse Tumortherapie gemeinnützige GmbH
Nußdorferplatz 8
A-1190 Wien

Klinisch-wissenschaftlicher Geschäftsführer der AGMT gemeinnützigen GmbH:
Prim. Univ. Prof. Dr. Richard Greil
Universitätsklinik für Innere Medizin III Universitätsklinikum der PMU Landeskliniken Salzburg
Müllner Hauptstraße 48
A- 5020 Salzburg

Schweiz

PD Dr méd. Yves Chalandon Hôpital Universitaire de Genève Service d'Hématologie
Rue Gabrielle Perret-Gentil 4
CH-1211 Genève 14
Tel.: +41 / 22 / 372 98 70
Fax: +41 / 22 / 372 72 88
yves.chalandon@hcuge.ch

11[Kapitel nicht relevant]

12[Kapitel nicht relevant]

13[Kapitel nicht relevant]

15Anschriften der Verfasser

Dr. med. Nicola Gökbuget
Universitätsklinikum Frankfurt am Main
Medizinische Klinik II
Abteilung Hämatologie und Onkologie
Theodor-Stern-Kai 7
60590 Frankfurt
Prof. Dr. med. Alexander W. Hauswirth
Medizinische Universität Wien
Innere Medizin I/Abteilung f.
Hämatologie u. Hämostaseologie
Währinger Gürtel 18-20
A-1090 Wien
Prof. em. Dr. Dr. Michael Kneba
Hematologielabor
UKSH - Campus Kiel
Langer Segen 8-10
24105 Kiel
Prof. Dr. med. Oliver G. Ottmann
PD Dr. Urs Schanz
Universitätsspital Zürich
Klinik für Hämatologie
Rämistr. 100
CH-8091 Zürich

16Erklärung zu möglichen Interessenkonflikten

nach den Regeln der DGHO Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie und den Empfehlungen der AWMF (Version vom 23. April 2010) sowie internationalen Empfehlungen

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